Damit Gegensätze nicht zu Krisen führen

Workshop Pastoraler Interimsdienst 2016

Sie helfen Gemeinden bei Zukunftsfragen: die Interimspastoren im BEFG. Einmal im Jahr treffen sie sich zu einem Workshop, um gegenseitig von ihren Erfahrungen zu profitieren und neuen Input für ihre Arbeit zu bekommen. Anfang April war es wieder soweit. Im Zentrum des Treffens in Elstal stand die Frage, wie Gemeinden damit umgehen können, wenn scheinbar unvereinbare Standpunkte aufeinanderprallen. Heike Beiderbeck-Haus vom Netzwerk „Beratung von Gemeinden“ berichtet.

Pastor und Supervisor Thorsten Graff aus Stuttgart gestaltete den Fortbildungsteil zum Thema Polarity Management: Wie kann man eigentlich damit umgehen, wenn in der Gemeinde zwei unterschiedliche Gruppen zwei ganz gegensätzliche Werte vertreten und quasi gegenteilige Wünsche äußern? Wenn es um einen Widerstreit unterschiedlicher Bedürfnisse geht, die nicht ohne weiteres in Einklang miteinander gebracht werden können – bei denen es aber auch kein einfaches „richtig“ oder „falsch“ gibt? Wenn zwar jeder vehement um „seins“ kämpft, aber bei genauem Hinsehen keine „Wahrheitsfrage“ im Raum steht? Für solche Situationen kann das Polarity Management, das von dem Amerikaner Barry Johnson entwickelt wurde, ein hilfreiches Instrument sein. So könnte sich z.B. in einem Gemeindekonflikt um „alte Lieder“ und „neue Lieder“ insgesamt die Problematik zwischen „Bewahren“ und „Verändern“ widerspiegeln. Die faszinierende Entdeckung in diesem Fortbildungsteil war: Schaut man diese „Polaritäten“ gemeinsam nach dem Muster der Polarity Managements an, so ergibt sich in diesem Prozess ein Verständnis der einen für die anderen und ein gangbarer Weg, die Spannung gemeinsam auszubalancieren. Die Interimspastoren werteten dieses Instrument als besonders nützlich, um „blinde Flecken“ zu erkennen und Einfühlungsvermögen für Andersdenkende zu entwickeln.

Neben einem Fortbildungsteil nimmt bei den Workshops auch die kollegiale Beratung einen breiten Raum ein. Während ihrer Dienste in den Gemeinden erleben die Interimspastoren im Laufe des Jahres vielfältige Chancen und Herausforderungen. Im vertraulichen Rahmen der kollegialen Beratung können sie diese reflektieren und weitere Handlungsmöglichkeiten für ihren Dienst entdecken. Hier hat sich das „Heilsbronner Modell zur kollegialen Beratung“ bewährt. Es kann aus unserer Sicht auch für andere Teams sehr empfohlen werden.

Zurzeit sind zwölf Pastoren im „Projekt Interimsdienst“ akkreditiert. 2015 waren fünf Interimspastoren im aktiven Einsatz; derzeit befinden sich sechs neue Interimsdienste in der Anbahnung. Die meisten Interimseinsätze dauern sechs bis zwölf Monate. In dieser Zeit ist der Interimspastor vorwiegend drei bis acht Tage pro Monat vor Ort. Der Interimsdienst empfiehlt sich für Gemeindesituationen, in denen eine pastorale und beratende Begleitung über einen längeren Zeitraum nötig ist – durch eine qualifizierte Person, die mit einem klar definierten Auftrag am Ort bei den Leuten ist. Das kann z.B. die Verabschiedung eines Hauptamtlichen und die Frage sein: Wie soll es weitergehen? Wollen wir etwas verändern? Uns neu orientieren? Das können aber auch andere Fragestellungen sein, etwa wenn es gilt, Aufgaben und Verantwortung neu zu definieren, konflikthafte Situationen zu meistern, neue Perspektiven zu entwickeln oder ein bestimmtes Vorhaben auf den Weg zu bringen. Gut auf den Punkt gebracht hat es der ehemalige Interimspastor Lothar Krause: „Die im Interimsdienst begrenzte Zeit schafft ein ‚Muss‘, das dazu hilft, einen Spannungsbogen aufzubauen. Dadurch entsteht eine andere Intensität als in einem normalen, auf Jahre hin angelegten Gemeindedienst. Der Interimsdienst rückt die Ziele in den Mittelpunkt und schafft ein ‚Wir wollen was!‘‘‘

Ein Artikel von Heike Beiderbeck-Haus