Gedenken an ein Vorbild

Berlin erinnert sich an den Besuch Martin Luther Kings vor 50 Jahren

Im September 1964 besuchte der berühmte amerikanische Bürgerrechtler und Baptistenpastor Dr. Martin Luther King Berlin. Nach seiner Rede in der Westberliner Waldbühne reiste er unangekündigt nach Ost-Berlin. Dort predigte er in zwei Kirchen vor Tausenden Menschen. Vom 11. bis 14. September 2014 erinnerten zahlreiche Gedenkveranstaltungen an den Besuch, der nach Überzeugung vieler Menschen die Saat für die Friedliche Revolution in der DDR 25 Jahre später legte. Auch der BEFG beteiligte sich am Gedenken.

Anlässlich des Jubiläums traf sich am 11. September eine Delegation amerikanischer Bürgerrechtler auf dem Campus des Bildungszentrums Elstal mit Vertretern des BEFG und dem Bürgermeister der Gemeinde Wustermark. Gemeinsam besuchten sie im Olympischen Dorf das Haus, in dem der schwarze amerikanische Sportler Jesse Owens während der Spiele von 1936 gewohnt hatte. Dr. Charles Steele, Wegbegleiter Martin Luther Kings und Präsident der von King mitbegründeten einflussreichen Bürgerrechtsorganisation National Southern Christian Leadership Conference, war sichtlich begeistert von dem „historischen Ort“. Er würdigte Owens, den erfolgreichsten Athleten der Sommerspiele in Berlin, als Vorbild für die spätere Bürgerrechtsbewegung in den USA. Es sei ein „Wendepunkt“ gewesen, als Weitsprung-Olympiasieger Owens direkt nach seinem Triumph öffentlich Glückwünsche von seinem unterlegenen Konkurrenten, dem deutschen Sportler Luz Long, erhalten habe. Jesse Owens habe in Deutschland „Hindernisse überwunden“ und sei dadurch zu einer Inspiration für Bürgerrechtler wie Rosa Parks und Martin Luther King geworden.

Dr. Bernard Lafayette, Friedensaktivist und wie Steele Wegbegleiter Martin Luther Kings, stellte anschließend im Bildungszentrum Elstal sein Buch „In Peace and Freedom: My Journey to Selma“ vor. Lafayette war einer der Hauptorganisatoren der Wählerregistrierungskampagne 1965 in Selma im US-Bundesstaat Alabama und der Märsche von Selma nach Montgomery. Sein Buch, so sagte er, „handelt von Menschen, die ihre Angst überwinden und deshalb für Freiheit kämpfen können.“ Von Martin Luther King habe er gelernt, dass der Glaube Mut gebe und man deshalb mit dem Glauben seine Angst überwinden könne.

Am 13. September, dem Jahrestag des Berlinbesuchs, gab es einen offiziellen Empfang im Berliner Roten Rathaus, an dem auch BEFG-Generalsekretär Christoph Stiba und andere Vertreter des Bundes teilnahmen. Berlins Innensenator Frank Henkel betonte in seinem Grußwort, die gewaltlose Friedliche Revolution in der DDR zähle Martin Luther King zu ihren geistigen Wegbereitern. Bis heute sei King „ein Vorbild für alle, die gegen Gewalt und Ungleichheit in der Welt kämpfen.“ US-Botschafter John B. Emerson hob die globale Bedeutung von Kings Vermächtnis hervor: „Martin Luther King war ein schwarzer Prediger ohne offiziellen Rang oder Titel. Sein Beispiel inspirierte Männer und Frauen überall auf der Welt. Er gab ihnen Mut, den Einschränkungen des Alltags zu trotzen und für die Freiheit zu kämpfen.“

Am Samstagabend kamen in der Marienkirche in Berlin-Mitte verschiedene Zeitzeuginnen zu Wort, unter ihnen auch zwei baptistische Vertreterinnen. Irmtraut Streit und Hannelore Weist waren beide am 13. September 1964 in der überfüllten Marienkirche, um King zu hören. Neben seinen Worten der Gewaltlosigkeit habe sie am meisten beeindruckt, dass der weltberühmte Baptistenpastor nach Ost-Berlin gekommen war, um zu ihnen zu sprechen.

In einem Festgottesdienst am Sonntag in der Marienkirche predigte Bischof Dr. Markus Dröge von jener Kanzel, von der Martin Luther King vor 50 Jahren gesprochen hatte. Er ging auf die Bedeutung der Botschaft Kings und der Friedlichen Revolution für die heutige Zeit ein. Denn gerade angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen in der Welt brauche man „das Vorbild wahrhaftiger Träumer, so wie Martin Luther King einer war; Träumer, die realistisch sehen, was heute ist, die aber dennoch daran festhalten, dass etwas anderes sein soll und sein kann.“ Als Vertreter des BEFG wirkten Generalsekretär Christoph Stiba und Karolin Theiß, Jugendpastorin im GJW Berlin-Brandenburg, bei der Fürbitte im Gedenkgottesdienst mit. Unter den Gottesdienstbesuchern waren neben Bundespräsident Joachim Gauck und Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit auch Ulrich Materne und Manfred Sult, der letzte Generalsekretär und der letzte Präsident des BEFG in der DDR.


Ein Artikel von Julia Grundmann und Dr. Michael Gruber