"Gerechtigkeit und 'Gute Werke'"

Theologisches Sympsium am Theologischen Seminar Elstal

Mit insgesamt mehr als 80 Teilnehmenden fand das 3. Symposium des Theologischen Seminars Elstal (Fachhochschule), das sich diesmal der theologischen Begründung diakonischen Handelns widmete, wieder ein sehr positives Echo. Die Tagung führte sehr unterschiedliche fachliche und konfessionelle Perspektiven zusammen.

Zum Auftakt machte Prof. Dr. Michael Rohde aus dem alttestamentlichen Textbefund deutlich, dass Israels Torafrömmigkeit kein Versuch war, durch die Befolgung von Ge- und Verboten Gerechtigkeit vor Gott zu erlangen, sondern fröhlicher Ausdruck einer lebendigen Gottesbeziehung zu einem erwählenden, rettenden und Sünden vergebenden Gott.

PD Dr. Anselm Schubert verglich in seinem theologiegeschichtlichen Vortrag die Lehre von den guten Werken in reformatorischer und täuferischer Theologie. Wenn für Luther alle Taten, die aus dem Glauben erwachsen, gute Werke seien, und alle Taten, die nicht im Glauben getan werden, per se keine guten Werke sein könnten, sei ein Rückschluss von den Werken auf den Glauben unmöglich, wohingegen Hubmaiers Theologie gerade davon ausgehe, dass wahrer Glaube sich in den guten Werken des Gehorsams gegenüber den Forderungen des Evangeliums erweise.

In seinen sozialgeschichtlich akzentuierten Ausführungen zur ‚sozialen Frage’ des 19. Jahrhunderts schilderte Prof. Dr. Jochen-Christoph Kaiser die Anfänge der modernen Diakonie nicht als Ergebnis pietistischer Erwecklichkeit und diakonischer Nächstenliebe, sondern als bürgerliche, von einer Fehlinterpretation der wirklichen Notsituation herkommende, volksmissionarische Bewegung zur Re-Christianisierung der Gesellschaft.

Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Horn vertrat in seinem neutestamentlichen Beitrag die These, dass die deutsche Exegese der Paulusbriefe zu stark von einem reformatorischen Vorverständnis geprägt sei. Mit Werken des Gesetzes seien bei Paulus nicht selbstrechtfertigende Werke des Menschen vor Gott gemeint, sondern die konkreten Regeln jüdischer Lebenspraxis, deren Gültigkeit für die Heidenchristen Paulus bestritten habe.

Dr. Wolfram Stierle aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit entwickelte konkrete Perspektiven für eine sozialethisch-politische Umsetzung von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit im Rahmen der Entwicklungspolitik. Während eine biblische Vorstellung von Barmherzigkeit politisch kaum anschlussfähig sei, gäbe es für die Schaffung von mehr Gerechtigkeit bereits ausgearbeitete Konzepte und messbare Kriterien für die konkrete entwicklungspolitische Arbeit.

Michael Kißkalt, Professor für Missiologie am Theologischen Seminar entfaltete in seinem Vortrag die theologischen Begründungen guter Werke im Islam. Da Werke der Barmherzigkeit zu den Grundlagen islamischer Frömmigkeit gehörten, sei eine Kooperation im sozial-diakonischen Bereich zwischen Christen und Muslimen durchaus möglich, auch wenn dadurch die Unterschiede im Gottesverständnis, im Menschenbild und in der Soteriologie nicht aufgehoben würden.

In seinem abschließenden Beitrag stellte der emeritierte Leipziger Systematiker Prof. Dr. Ulrich Kühn die Bedeutung der Guten Werke im evangelischen Kontext auf der Basis der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999 dar und betonte, dass die Befähigung zu guten Werken heute in den Artikel von der Rechtfertigung hineingehöre, denn die Rechtfertigung bedeute immer zugleich auch eine Verwandlung des Glaubenden. Bei der Aufforderung zu guten Werken sei aber darauf zu achten, dass diese nicht Anlass zur Selbstrechtfertigung, zu Illusionen über die Machbarkeit des Reiches Gottes oder zu gesetzlichem Zwang werden dürfe.

Das Symposium fand sowohl bei den Teilnehmern als auch den Referenten eine sehr positive Resonanz, denn nach jedem Vortrag blieb viel Raum für eine intensive Diskussion. Die Beiträge des Symposiums sollen im nächsten Jahr in einem Sammelband veröffentlicht werden.

Ralf Dziewas

Ein Artikel von Ralf Dziewas