Geschlechterrollen, Nähstuben und etwas Bewegung

Engagement mit Geflüchteten

„Mitarbeitende, die Geflüchtete auch außerhalb der Gemeinde begleiten, werden häufig kaum im Gemeindeleben wahrgenommen“, hat Daria Kraft beobachtet. Sie arbeitet in der Fachstelle für Integration und Geflüchtete im Diakoniewerk der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden in Baden-Württemberg. Vornehmlich im Großraum Stuttgart unterstützt sie die Gemeinden bei ihrem Engagement vor Ort.

Es gibt unzählige schöne Erlebnisse, und meist profitieren die Helfenden selber von ihrem Engagement. Dennoch bringt die anspruchsvolle Arbeit auch Herausforderungen mit sich. Wie gehe ich mit traumatisierten Geflüchteten um und wie verarbeite ich belastende Themen selbst? Diese Frage stand bei einem Seminartag am 20. Oktober in der Evangelisch-Freikirchlichen Martin-Luther-King-Kirche in Stuttgart-Zuffenhausen im Mittelpunkt. Worauf kommt es bei einer Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an? Wie gehe ich damit um, wenn „meine“ Patenfamilie abgeschoben wird? Die Fachstelle bietet für solche Fragen Gruppensupervision und Coaching für die Ehrenamtlichen an, damit diese ihre Arbeit reflektieren und Lösungen finden können. Daria Kraft plant weitere Schulungstage zu Themen wie „Menschen und Kulturen verstehen“, „Selbstfürsorge“ oder „Geschlechterrollen in patriarchalen Gesellschaften“. Bei allen Angeboten können die Teilnehmenden oft auch vom gegenseitigen Austausch und der Vernetzung profitieren.

Daria Kraft möchte als Diplompädagogin und Pastorin ermutigen, die Arbeit mit Geflüchteten als Teil diakonischer Gemeindearbeit wertzuschätzen. Mitarbeitende öffentlich im Gottesdienst zu senden, zu segnen und zu Wort kommen zu lassen, ist ihr ein Anliegen. Deren Engagement ist vielfältig: Es gibt (Sprach-)cafés, Angebote für geflüchtete Kinder, Glaubenskurse oder Gottesdienste in Fremdsprachen, Nähstuben, Fußballvereine, Besuche in Unterkünften, oder es wird mit Hilfe ehrenamtlicher Geflüchteter gekocht und ein Mittagstisch für die Stadt angeboten. Zudem unterstützt eine Vielzahl von Gemeindemitgliedern die Geflüchteten im alltäglichen Leben, etwa bei Behördengängen oder der Arbeits- und Wohnungssuche. Sie bieten ein Ohr für Sorgen und Nöte oder teilen gar ihre Wohnung oder das Haus. Ungefähr 350 Ehrenamtliche in 15 Gemeinden sind mit circa 700 Geflüchteten im Stuttgarter Raum unterwegs.

Dabei ist es Daria Kraft wichtig, auf Augenhöhe zu agieren und Integration als einen Prozess zu verstehen, bei dem sich beide Seiten aufeinander zu bewegen. Um diese Bewegung zu fördern, engagiert sie sich in der Fachstelle etwa für Patenschaften oder beim Fundraising für Begegnungsprojekte. Ein solches Begegnungsprojekt ist zum Beispiel die von der Aktion Mensch unterstütze „Dialogrikscha“ – eine Fahrradrikscha, bei der sich bis zu drei Personen gemütlich unterhalten können, während selbstverständlich eine andere Person sich abstrampeln muss. Eine mitunter schweißtreibende Gelegenheit zur Begegnung, von Jung und Alt, Geflüchteten und Einheimischen.

Ein Artikel von Jasmin Jäger