Gespräche statt Gräben

Treffen der Leitungen der deutschen und der polnischen Baptisten

Eine Delegation des BEFG-Präsidiums und der Bundesgeschäftsführung hat sich am 17. und 18. März mit der polnischen Bundesleitung in Warschau getroffen. Beide Seiten verständigten sich, weiterhin über Gemeindegründung, die Arbeit unter Migrantinnen und Migranten und neue Entwicklungen im Gespräch zu bleiben

Die Leitungsgremien der polnischen und der deutschen Baptisten tagten nach langer Zeit zum ersten Mal wieder gemeinsam. Ein aktuelles Thema sowohl in Polen als auch in Deutschland ist Gemeindegründung. Der polnische Bund verzeichnet nicht nur ein stetiges Wachstum an Mitgliedern (auf gegenwärtig fast 6.000 Mitglieder mit etwa 10.000 Personen im Freundeskreis) sondern auch an Gemeinden. Während des Treffens wurde die 101. Gemeinde in den Bund aufgenommen. Besonders in größeren Städten entstehen neue Gemeinden, sodass es zum Beispiel in Posen bereits acht Gemeinden gibt.

Fast alle Gemeinden in Polen haben enge Kontakte zu ukrainischen Zuwanderern. Denn mehr als zwei Millionen Ukrainer sind in den letzten Jahren auf der Suche nach Arbeit nach Polen gezogen. Einige Mitglieder aus ukrainischen Baptistengemeinden haben sich polnischen Gemeinden angeschlossen, sodass mittlerweile etwa gleich viele ukrainische wie polnische Baptisten in Polen leben. Inzwischen sind viele ukrainische Angebote entstanden, und sieben ukrainische Pastoren arbeiten im polnischen Bund, die dadurch dem Pastorenmangel in Polen abhelfen. Einige von ihnen haben ihre Gemeinden im umkämpften Osten der Ukraine verloren. Interessiert diskutierten die Teilnehmer die Erfahrungen in Deutschland mit Migration aus dem Nahen Osten und Afrika.

Viele polnische Gemeinden haben in den letzten Jahren diakonische Projekte gestartet. Seit drei Jahren hat auch der Bund ein eigenes Diakoniewerk ins Leben gerufen, um die Arbeiten zu koordinieren. Ein aktuelles Projekt ist die Begleitung von Pflegefamilien für ehemalige Heimkinder.

Pastor Robert Merecz schilderte die Entwicklung in der Gemeinde Stettin. Eine enge Arbeitsgemeinschaft deutscher und polnischer Baptisten fördert den Aufbau eines „Christlichen Zentrums“ in einer 1854 gebauten ehemals deutschen Baptistenkapelle. Er warb darum, das Projekt stärker zu unterstützen, um mögliche EU-Fördergelder nutzen zu können. Dafür ist ein finanzieller Eigenanteil erforderlich, der mit Hilfe aus Deutschland aufgebracht werden soll. Diskutiert wurden darüber hinaus der Aufbau von Gemeindepartnerschaften und die Möglichkeit, in Deutschland arbeitenden Polinnen und Polen in deutschen Gemeinden ein Zuhause zu bieten.

Die polnischen Teilnehmer berichteten den Besuchern aus dem BEFG von der seelsorgerlichen Begleitung der Pastoren. „Oft sind die Pastoren die einsamsten Menschen in ihrer Gemeinde“, berichtete der Leiter des Seelsorgeprogramms. „Darum ist es sehr wichtig, genau hinzuhören, wie es den Kollegen geht.“ Udo Hermann, der den BEFG-Dienstbereich Mitarbeiter und Gemeinde leitet, schilderte die Maßnahmen in Deutschland, die dazu dienen sollen, besonders die Berufsanfänger zu ermutigen, rechtzeitig Hilfe zu suchen, wenn sie in eine Krise geraten. Ein erfolgreiches Modell des polnischen Bundes, ehrenamtliche Mitarbeiter zu stärken, ist seit einigen Jahren ein zweijähriges Mentorenprogramm, mit dem jeweils 35 junge Mitarbeiter durch 15 Mentoren begleitet werden.

BEFG-Generalsekretär Christoph Stiba betonte: „Schritt für Schritt haben sich Deutschland und Polen nach dem Krieg angenähert, auch die Baptisten. Heute erleben wir in Europa, dass Gräben wieder aufzubrechen drohen. Es ist wichtig, dass wir dem gemeinsam etwas Verbindendes entgegensetzen. So wollen wir auch in der Europäischen Baptistischen Föderation (EBF) gut über- und miteinander reden.“ Dem polnischen Bund falle dabei eine wichtige Rolle zu, weil Polen sowohl zum Osten wie zum Westen gute Beziehungen pflegt. Matthäus Wichary, der Generalsekretär des polnischen Bundes, dankte Stiba für die Initiative, zusammen zu tagen: „Es kommt darauf an, Freundschaft zu erleben.“ Und Michael Noss, Präsident des deutschen Bundes, lud für 2020 zu einem Gegenbesuch nach Elstal ein.

Ein Artikel von Frank Fornaçon