„Jetzt wird’s aber (zu) bunt …!“

Beratertreffen des BEFG-Netzwerks „Beratung von Gemeinden“ am 30. November

Bestnoten aller Teilnehmenden erhielt das Beratertreffen des Netzwerks „Beratung von Gemeinden“, das am 30. November stattfand. Thema: „Jetzt wird’s aber (zu) bunt …! - Ambiguitätstoleranz in der Gemeindeberatung“. Gastgeber war die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Kassel-West. Die Fähigkeit, mit Mehrdeutigkeiten, Unsicherheiten und Spannungen umzugehen, ist gesellschaftlich immer stärker gefragt, sagt Heike Beiderbeck-Haus, die im BEFG für die Gemeindeberatung verantwortlich ist. Lesen Sie hier ihren Bericht über das Treffen.

Als wir das Thema Anfang des Jahres planten, ahnten wir nicht, wie aktuell und relevant es gerade auch gesamtgesellschaftlich sein würde. Geht es doch bei diesem Thema um Unterschiede und Spannungen, um Vielfalt und damit verbundene Unsicherheiten. Auch in der Gemeindeberatung hat man es nicht etwa nur in Konfliktsituationen mit Unterschieden und Differenzen zu tun. Ebenso geht es auch bei einer Zukunftswerkstatt oder Leitungsklausur oftmals darum, mit der Unterschiedlichkeit der Menschen, ihrer Werte, ihrer Kultur, ihrer Milieus, ihrer Prägungen, ihrer Vorlieben, ihrer Überzeugungen und ihrer Bedürfnisse zurechtzukommen und einen gemeinsamen Weg zu finden. Wie verhält sich die Offenheit gegenüber dem „Anderen“, dem „Fremden“ zur eigenen Identität und dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit? Spannende Fragen, zu denen die Teilnehmenden aus ganz Deutschland nach Kassel gekommen waren.

Olaf Kormannshaus‘ Vortrag, der Aspekte aus unterschiedlichen Gebieten der Psychologie und Psychologiegeschichte beleuchtete, bot den Anwesenden die Möglichkeit, Ambiguitätstoleranz als Denkhorizont zu entdecken: „Ambiguitätstoleranz meint die Fähigkeit, Mehrdeutigkeiten, Unsicherheiten und Widersprüche in Situationen und Handlungsweisen ertragen zu können, ohne aggressiv zu reagieren oder den anders Denkenden zu entwerten“, erklärte der Theologe und Psychologe. „Eine gesunde Ich-Stärke hilft, die dabei auftretenden Spannungen auszuhalten und konstruktiv zu bewältigen.“ Kormannshaus folgerte: „Ambiguitätstoleranz stellt insofern auch eine Voraussetzung für Weltfrieden und Überleben der Menschheit dar.“ Daraus ergeben sich interessante Fragen zur Selbstreflexion, ohne die wir bei dieser Thematik nicht auskommen.

Ganz lebenspraktisch und zugleich reflektiert war der Beitrag von Dr. Andrea Klimt unter der Überschrift „Mit Widersprüchen leben, Spannungen aushalten“. Dabei spielten ihre mehrjährige Erfahrungen in der interkulturellen Gemeindearbeit der „projekt.gemeinde“ Wien mit hinein. „Oft sprechen wir von Integration und meinen Assimilation; aber wenn wir uns wünschen, dass sich alle unserer Kultur anpassen, dann versäumen wir etwas, schlagen wir einen Segen Gottes für uns aus“, sagte die Professorin für Praktische Theologie an der Theologischen Hochschule Elstal (THE).

Wie kann nun ein Gemeindeberater mit einem Team oder einer Gemeinde arbeiten, wenn Spannungen, Unterschiede, Polaritäten und Widersprüche zu tage treten und Probleme bereiten? Dazu wurden konkrete Methoden und Werkzeuge vermittelt: Der Pastor und Coach Hans-Günter Simon stellte anhand der Transaktionsanalyse eine Möglichkeit vor, die individuelle Lebensgeschichte der beteiligten Menschen in Konfliktgesprächen zu berücksichtigen. Andrea Klimt vermittelte eine Methode, um in Konfliktsituationen wahrnehmen zu können, dass möglicherweise auch verschiedene Kulturdimensionen berührt sind. Thorsten Graff, Pastor, Therapeut und Supervisor, stellte die Chancen und die Arbeitsweise des „Polarity Management“ dar, das Menschen hilft, auch dann noch bewusst und empathisch miteinander umzugehen, wenn Gegensätze aufeinanderprallen.

Der Tag hat gezeigt, dass man sich in der Gemeinde der Unterschiede und Spannungen bewusst werden kann, um dann konstruktiv damit umzugehen. Wenn dies nämlich gelingt, stehen sie der Gemeindeentwicklung nicht im Wege, sondern können fruchtbringend genutzt werden. Neben diesen Fortbildungselementen gab Udo Hermann vom Leitungsteam des Vertrauensrates Erläuterungen zu dem Vorhaben, „Jahresgespräche zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer“ zu implementieren. Diese Jahresgespräche können bei Bedarf durch einen Gemeindeberater moderiert werden. Bei Interesse können sich Gemeinden und Pastoren dazu an das Netzwerk „Beratung von Gemeinden“ wenden.

Friedbert Neese, Leiter des Dienstbereichs Mitarbeiter und Gemeinde, zeigte sich beeindruckt von dem Tag: „Ich bin begeistert von diesen Beraterinnen und Beratern und davon, in welcher Art und Weise sie sich mit einer solch hochkomplexen Thematik beschäftigen!“ Er dankte den Beraterinnen und Beratern für ihren Einsatz und „die wichtige Unterstützung für unsere Gemeinden“.

Ein Artikel von Heike Beiderbeck-Haus