Dr. Andreas LIese, Reinhard Assmann, Prof. Dr. Andrea Strübind

Foto: David Vogt

Jubiläumsabend: „Berufen zur Einheit“

BEFG erinnert an 75-jähriges Bestehen und 25 Jahre Wiedervereinigung der Bünde

Mit einem historischen Abend bei der Bundeskonferenz in Kassel hat der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) an seine Gründung 1941 und die Wiedervereinigung des ost- mit dem westdeutschen Bund 1991 erinnert. Im Zentrum der Fachvorträge stand die Berufung der Christen zur Einheit.

Zu Beginn beleuchtete Prof. Dr. Uwe Swarat von der Theologischen Hochschule Elstal die geistliche Perspektive der Einheit. Diese sei für die christliche Gemeinde „von herausragender Bedeutung“. Die von Gott geschenkte Einheit, die in einer fruchtbaren Spannung mit Vielfalt stehe, müsse „durch unser Handeln bewahrt und praktisch gelebt werden“. Dies geschehe in der Ortsgemeinde, im konfessionellen Gemeindebund, in der überkonfessionellen Arbeit und auf zwischenkirchlicher Ebene. Die Ortsgemeinde sei über ihre eigenen Grenzen hinaus bezogen auf eine größere Gemeinschaft, den Gemeindebund. Dieser sei nicht nur an seinem Nutzen für die Gemeinden zu messen: „Ein Gemeindebund ist eine Stiftung Gottes, die die einzelnen Ortsgemeinden geistlich sowohl beschenkt als auch verpflichtet.“

Dr. Andreas Liese beschrieb das Streben nach Einheit als ein entscheidendes Motiv für die Gründung des BEFG 1941. Damit widersprach der Vorsitzende des Historischen Beirats des BEFG der häufig geäußerten Behauptung, die Vereinigung der Brüder- und der Baptistengemeinden sei durch die Nationalsozialisten erzwungen worden. Im Gegenteil habe die Gestapo der neuen größeren Freikirche ablehnend gegenübergestanden. Die Baptisten hätten, so Liese, schon 1938 die Fusion verschiedener Brüdergruppen wohlwollend begleitet. Anschließend seien sie sogar bereit gewesen, ihren Namen aufzugeben. 1941 seien die bereits vor dem Krieg begonnenen Verhandlungen zu einem raschen Ergebnis gekommen, als die Baptisten auf ihrer 30. Bundeskonferenz in Berlin für die Namensänderung stimmten und die Brüdergemeinden in den Bund aufnahmen. Die pfingstkirchlichen Elimgemeinden waren  bereits 1938 dem Bund der Baptistengemeinden beigetreten. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten zahlreiche Brüdergemeinden den BEFG verlassen – wie auch nach dem Ende der DDR, in der die Einheit bis 1990 gelebt worden sei.

Über diese Zeit in der DDR berichtete der zweite Vorsitzende des Historischen Beirats, Reinhard Assmann. Er vertrat den Standpunkt, im DDR-Bund habe „das eigentliche Bundes-Original von 1941 überlebt, nämlich ein Bund von Baptisten-, Brüder- und Elimgemeinden.“ Für die Einheit dieser drei Gruppen im ostdeutschen BEFG habe es geistliche, pragmatische, personelle und politische Gründe gegeben, so Assmann. So hätten Leitungspersönlichkeiten wie der kürzlich verstorbene Manfred Sult die Einheit eines Bundes befördert. Die Forderung Jesu nach Einheit habe eine besondere Rolle gespielt – eine Einheit, welche man mit den Gemeindemitgliedern aus dem Westen aus politischen Gründen nur schwer habe pflegen können. Bei allen Meinungsunterschieden sei der Bund ein Segen gewesen, „ein Übungsfeld für das Eins-Sein“.

Prof. Dr. Andrea Strübind von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg beendete die Fachvorträge mit einer historischen Einordnung der Trennung und der Wiedervereinigung des BEFG. Seit 1945 hätten die Gemeinden in Ost und West in „zwei divergierenden Gesellschaftssystemen“ gelebt: „Unsere Freikirche sah sich herausgefordert, sowohl in einem demokratisch-pluralistischen als auch in einem sozialistisch-diktatorischen Staat ihren kirchenpolitischen und theologischen Standort zu finden.“ Ein eigenes Profil habe der Bund in der DDR erst nach dem Mauerbau entwickeln können: „Der BEFG bildete Mechanismen der Anpassung bei gleichzeitig zähem Ringen um größtmögliche ideologische Unabhängigkeit aus.“ Doch auch in der ansonsten „loyalen Minderheitskirche“ habe es mutige Männer und Frauen gegeben, „die sich in der DDR deutlich den ideologischen Anforderungen der Diktatur widersetzten.“ Strübind kritisierte, beim Vereinigungsprozess habe es „keinen spürbaren Impuls und keine Bereitschaft“ gegeben, die Geschichte des BEFG – in Ost und West – kritisch aufzuarbeiten. Hier sehe sie Nachholbedarf.

Der Abend endete mit einer von Präsidiumsmitglied Frank Fornaçon moderierten Talkrunde, in der die Gesprächsteilnehmer den Blick nach vorne richteten. Die Einheit im Bund sei weit mehr als eine geschichtswissenschaftliche Frage. Sie sei Aufgabe für das Miteinander zu jeder Zeit, so das Fazit des Abends.

Ein Artikel von Dr. Michael Gruber