Lieber Bruder in Rom!

Hoffnungen der BEFG-Generalsekretärin anlässlich des Papstbesuchs

Papst Benedikt XVI. besucht sein Heimatland, das Land der Reformation. Es ist ein historisches Ereignis, über das viel berichtet und diskutiert wird. Mit dem Besuch sind auch viele Erwartungen verbunden. In einem Gastbeitrag für die Zeitschrift „Evangelische Orientierung“ des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim hat BEFG-Generalsekretärin Regina Claas ihre Hoffnungen und Wünsche anlässlich des Papstbesuchs formuliert:

Die römisch-katholische Kirche ist in Deutschland ein unverzichtbarer und verlässlicher Partner in der Ökumene. Über mehrere Jahrzehnte ist eine konstruktive, engagierte und insbesondere in der Ökumene vor Ort sehr wirkungsvolle Zusammenarbeit der christlichen Kirchen miteinander entstanden. Dahinter steht das gemeinsame Ziel, den Menschen Jesus Christus nahezubringen und sie zum Glauben an ihn einzuladen. Wenn nun der Papst, das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, nach Deutschland kommt, dann richtet sich nicht nur die Aufmerksamkeit der Katholiken darauf, sondern Christen aller Konfessionen  verfolgen mit Spannung, wie sich die Ökumene weiter entwickelt. Denn der deutsche Papst kommt in sein Heimatland, das Land der Reformation! Von wo, wenn nicht von hier, können starke Impulse ausgehen? Ich wünsche mir, dass der Besuch dazu beiträgt, die Einheit der Christen im Glauben an den gemeinsamen Herrn Jesus Christus zu stärken und die ökumenischen Beziehungen noch weiter voran zu treiben.

Dialogbereitschaft – aller Kirchenvertreter – auch in strittigen Fragen wäre dazu ein ermutigendes Zeichen. Im Weltbund der Baptisten, zu dem der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden gehört, haben wir hier gute Erfahrungen im theologischen Gespräch mit der römisch-katholischen Kirche gemacht. Wir alle ringen um Erkenntnis der Wahrheit und orientieren uns dabei an der Heiligen Schrift. In diesem Ringen können wir respektvoll miteinander umgehen, ohne unsere eigene Position zu verleugnen. Wenn es gelänge, zum Beispiel in der Frage des gemeinsamen Abendmahls den Faden wieder aufzunehmen und den Weg aufeinander zu zu suchen, wäre dies aus meiner Sicht eine große Ermutigung für die Glaubenden. Das Abendmahl ist in allen Kirchen das stärkste Symbol der Gemeinschaft mit unserem Herrn Jesus Christus. Ich wünsche mir, dass durch den Papstbesuch die Hoffnung gestärkt wird, dass katholische und protestantische Christen diese Gemeinschaft eines Tages wieder gemeinsam zelebrieren.

Ein weiteres, großes Zeichen von Einheit wäre ein 3. Ökumenischer Kirchentag im Jahr 2017 –  dem 500. Jahr der Reformation. Das würde zeigen: Bei allen Unterschieden sind wir nicht mehr gegeneinander, sondern füreinander! Vielleicht kann der Papstbesuch ja Anlass sein, über einen 3. Ökumenischen Kirchentag ernsthaft ins Gespräch zu kommen. Wie schon angedeutet: Bei aller Einheit dürfen und sollen die einzelnen Kirchen ihre jeweils eigenen Profile haben! Denn es geht in der Ökumene ja nicht um Gleichmacherei, sondern um die von Christus gestiftete Verbundenheit in dem einen Leib Christi. Manches Mal wird in Deutschland allerdings vergessen, dass die Ökumene nicht nur aus „den beiden großen Kirchen“ besteht, sondern dass die orthodoxen Kirchen, die protestantischen Freikirchen und andere kleinere Gruppierungen unverzichtbar zur Ökumene gehören und die Gemeinschaft der Christen in Deutschland mit gestalten. Auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München wurde ein deutlicher Fortschritt bei der Beteiligung dieser kleineren Kirchen erzielt. Hier nicht stehen bleiben – und 2017 gemeinsam der Reformation gedenken – das könnte für uns alle ein wichtiger heilsamer und versöhnender Schritt sein. Das geht nicht ohne ehrlichen Austausch. Wir Protestanten sollten die lange und reiche Tradition der katholischen Kirche wieder neu wertschätzen, und gleichzeitig sollten alle Christen gemeinsam danach fragen, wie Kirche im Geiste Christi zu reformieren ist. Ein solcher Austausch ist sicherlich herausfordernd, aber er würde sich lohnen.

Als Freikirchlerin, dies darf ich in aller Offenheit ausdrücken, fällt es mir schwer, zu hohe Erwartungen an eine einzige Person zu knüpfen – selbst wenn es der Papst ist. Zu sehr bin ich davon überzeugt, dass Christus sich in der ganzen Gemeinde offenbart und wir miteinander darauf angewiesen sind, uns gegenseitig zu ergänzen, zu korrigieren, unsere jeweiligen Erkenntnisse zu teilen und zu prüfen und einander zu ermutigen. Deshalb wünsche ich mir für Papst Benedikt XVI., dass er ein Suchender bleibt, der in Demut und Liebe zu erfassen sucht, was andere – vielleicht auch anders Denkende – zum Wohl der Gemeinde Jesu beizutragen haben. Doch dieser Wunsch geht nicht nur an den Papst – er geht auch an alle anderen kirchenleitenden Verantwortungsträger, und ich richte ihn ebenso an mich selbst.

Regina Claas, Generalsekretärin des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland K.d.ö.R.

Ein Artikel von Regina Claas