Missionale Gemeinde: Gott wohnt nebenan

In die Lebensgeschichten des Stadtteils einsteigen und Jesus inmitten dieser Gespräche finden.

Welche Zukunft haben Gemeindeformen, in denen wir wie selbstverständlich leben – ohne Bewusstsein für ihre kulturelle, zeitliche Ausprägung? Welche Formen werden ihr folgen, wenn sich der soziale Raum um uns herum gravierenden Veränderungen unterzieht? Und was bedeutet eigentlich die Wortneuschöpfung „missional“? Auf rund 90 Teilnehmer der Konferenz „Die missionale Gemeinde“ in der Baptistengemeinde „Kirche auf dem Ölberg“ in Wuppertal warteten vom 29. bis 31. Oktober unbequeme Fragen zur Zukunft der Kirche. Veranstaltet wurde die Konferenz von Novavox, einer Initiative, die Gemeindepionieren, Visionären und Querdenkern Raum zum Austausch schaffen möchte, und dem Dienstbereich Mission des BEFG

Hauptredner Alan Roxburgh, kanadischer Gründer und Leiter eines missionalen Netzwerks, beantwortete die Frage nach der missionalen Gemeinde mehr vom Wesen her als von ihren Formen. So begann die Konferenz auch mit einer Warnung an die missionalen Vordenker: „Gott braucht keine Kirche, die sich um sich selbst dreht“, stellte Roxburgh klar. Es gehe im Kern nicht um neue Gemeindeformen und hippe Begrifflichkeiten. Wer über die Zukunft der Kirche nachdenke, dürfe nicht die größere Geschichte Gottes aus dem Blick verlieren.

Was aber bedeutet es, als Christ missional zu leben? Will man es in einem Satz ausdrücken, dann ist das Missionale nach den Worten von Alan Roxburgh „das Ringen von Gottes großer Geschichte mit der vorherrschenden Kultur“. Mit der Suche nach dem idealen Modell sei es wie mit dem Streben nach Glück. Da empfehle die Bergpredigt sinngemäß: „Wenn du glücklich werden willst, versuch nicht glücklich zu sein. Sondern lerne, dich ganz hinzugeben.“ Die Schlussfolgerung des missionalen Vordenkers: Die Kirchenfrage ergebe sich von ganz allein, wenn wir missional leben. Konkret ermutigte Roxburgh dazu, in die Lebensgeschichten des Stadtteils einzusteigen und Christus inmitten dieser Gespräche zu finden. Für ihn selbst habe dies nach Jahrzehnten des traditionellen Gemeindebaus bedeutet, zu einem kommunitären Lebensmodell zu finden, das sich in klösterlicher Tradition an Lebensregeln orientiert.

Zuletzt richtet sich Roxburgh dann doch noch Gemeinden, die eine Verunsicherung wahrnehmen, weil Bewährtes plötzlich nicht mehr funktioniert. Wie sollen sie umgehen mit der akuten Desorientierung, die aus der Mitte der Gemeinde um sich greift? Roxburgh empfiehlt, den schleichenden Zerfall ihrer Sicherheiten zu umarmen, Liebgewonnenes loszulassen, um dahinter die größere Idee Gottes zu erkennen. Da die europäischen Kirchen sehr reformatorisch geprägt seien, gelte es, vorreformatorische Traditionen wie geistliche Übungen und klösterliche Formen neu zu entdecken.

Aus der missionalen Praxis berichteten auch deutsche Pioniere wie Gunnar Bremer vom Dienstbereich Mission der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden und Jens Stangenberg, der sich in Bremen an den missionalen Gemeindebau gewagt hat. Dass auch die Konferenzteilnehmer in den Austausch kamen, dafür sorgten Podiumsdiskussionen, praxisnahe Workshops und Netzwerkzeiten, die den Praktikern Anknüpfungspunkte für die weitere Vernetzung missionaler Projekte boten.

Hat die Kirche Zukunft? Natürlich. Nur auf die Form sollte man sich nicht für immer und ewig festlegen.

Pascal Görtz

Ein Artikel von Pascal Görtz