Osterleute gestalten

Ein persönlicher Rückblick

Pastorin Claudia Sokolis-Bochmann hat im Kreativkreis für das Jahresthema und im Redaktionskreis des Osterkalenders mitgearbeitet. In einem persönlichen Rückblick auf das Jahresthema „INSPIRIERT LEBEN … dass Christus Gestalt gewinnt“ beschreibt sie ihre Erfahrungen mit dem Osterkalender.

Das Telefon klingelte. Ich wurde zum ersten ThinkTank zum Jahresthema 2018/19 nach Elstal eingeladen. Damals ahnte ich noch nicht, wie intensiv und prägend die nächsten Jahre werden sollten. Mein Weg mit dem Jahresthema begann mit diesem Treffen im September 2016 und meine Neugier war geweckt, ebenso wie mein Wunsch mitzugestalten. Langeweile hatte ich wahrlich nicht, im Dienst und darüber hinaus genügend Termine. Aber dieses eine Wort hatte mich gepackt: Thementrägerin. Im ThinkTank fiel es, und fiel gleich in mein Herz. Thementrägerin wollte ich sein, für das Thema „Spiritualität“ stehen. Sicher, ich war schon vorher dafür bekannt, deshalb ja auch eingeladen. Doch es schien, als sei da noch mehr möglich. Auch in unserem Bund. Es folgte meine Mitarbeit im Kreativkreis für das Jahresthema und dann für die Bundesratstagungen 2018/19. Zudem erhielt ich die Anfrage, im Redaktionsteam des Osterkalenders mitzuarbeiten, und auch dazu fand ich ein Ja. Meine Kreativität konnte ich hier wie da zum Einsatz bringen.

In den Arbeitskreisen und Aufgaben lernte ich eine Menge Leute neu oder anders kennen. Sie inspirierten mich mit neuen Ideen und Gedanken und ließen mich ins Fragen kommen. Einige der Mitarbeitenden wurden für eine Zeit intensive Gegenüber. Wege gingen wir gemeinsam, auch bei Unterschiedlichkeiten, feierten Etappen, freuten uns an Ergebnissen, brachten Themen ins Gespräch.

Ende 2018 war ich dankbar, dass sich das Ende mancher Arbeitskreise und Aufgaben abzeichnete, einfach, weil Leben und Dienst sich geändert hatten und ich mich mehr auf das Thema konzentrierte, darüber arbeitete und referierte, in Lehre investierte und raus aus organisatorischen Aufgaben trat, um weiter Thementrägerin zu sein.

Doch die Zeit des Osterkalenders hatte es für mich noch in sich und hat mich nachhaltig geprägt. Diese Zeit zwischen Ostern und Pfingsten werde ich nicht vergessen. Zumal sie auch gemeindlich für uns von den Themen des Osterkalenders geprägt war. Redaktionell und als Autorin am Kalender mitzugestalten, war schon ein Geschenk für mich und hatte zur Auswirkung, dass ich in besonderer Weise den Kalender beworben und verschenkt hatte, in Gemeinde, an Freunde und Familie. Das Thema für Bibelstunden und Gottesdienste war klar, und ich freute mich über Rückmeldungen von Freunden, die lange nichts mit Gemeinde zu tun haben, aber angesprochen wurden.

In der Gemeinde lasen wir gerade den Einstieg des Osterkalender „Osterleute gehen weiter“ und wir ahnten noch nicht, was geschehen würde. Kurze Zeit darauf starb eine Mitarbeiterin aus der Mitte der Gemeinde, mitten im Abendmahlsgottesdienst wurde sie in die Ewigkeit berufen. Gerade hatte ich über „Osterleute lieben“ gepredigt, über Petrus, der ans andere Ufer geht. Die Mitarbeiterin hatte sich vor Ostern einige Kalender erbeten, um sie weiterzugeben, und mir gerade in der Woche vor ihren Tod erzählt, wie ansprechend sie den Kalender findet und wie wichtig es sei, die Osterbotschaft in die Welt hinauszutragen. Dann starb sie. Und schon am Sonntagmittag stellte sich mir die Frage, ob nun ein Themenwechsel dran war. Weitermachen wie geplant?

Die Osterleute wurden mir und uns als Gemeinde zum Halt. Sie gaben uns einen „Rahmen“ in schwerer Zeit. Auf der Beerdigung verkündigten wir die Osterbotschaft und erzählten von den Osterleuten, die weitergehen. Mehr als 200 Leute hörten an dem Tag von der Hoffnung und Kraft der Auferstehung, Fremde nahmen den Osterkalender mit, weil er der Mitarbeiterin wichtig war. Worte, die ermutigten, trösteten und Kraft gaben. „Jesus lebt, mit ihm auch ich, das ist meine Zuversicht“. Zu diesem Lied folgte mein eigenes Gedicht und viele, die mich auf dem Friedhof hörten, lasen dieses Bekenntnis und wir kamen ins Gespräch.

Mein Mann, der seine erste Frau auf ähnlich schmerzliche Weise so plötzlich verloren hatte, übernahm die Stephanus-Predigt und verkündigte den offenen Himmel. Osterleute hoffen. Wir brauchten keine anderen Themen zu suchen, mussten uns nicht überlegen, wie wir die nächsten Wochen gestalten sollten. Wir ließen uns einfach fallen in die Perikopen der Osterleute. Ich war dankbar für Predigten der Kollegen aus Elstal, Anregungen des Hauskreismagazins und fühlte mich in dieser Zeit getragen von den Osterleuten. Und nicht nur symbolisch. Kolleginnen und Kollegen, Freunde nahmen Anteil, beteten mit, ermutigten. Texte, die ich mit redigiert hatte, bekamen einen neuen Klang, Bilder sprachen an und in mir wuchs die Dankbarkeit, in so ein Netz – die Gemeinschaft – eingebunden zu sein und an dieser Aufgabe mitgewirkt zu haben. Und wenn es nur für uns als Gemeinde war, nur für diese Zeit des Abschiednehmens – mein Einsatz über die Jahre und im Bund hatte sich gelohnt.

Prof. Dr. Volker Spannengenberg schreibt in seiner Predigt zum Osterkalender: „‚Zeit in der Zeit‘. So lautet der Titel, den der Schweizer Theologe Robert Leuenberger seinem Buch über das Gebet gegeben hat. ‚Zeit in der Zeit‘. Kürzer kann man wohl kaum beschreiben, was ein Gebet ist. Und schöner vermutlich auch nicht. Denn genau das ist es, was Menschen tun, wenn sie beten: Sie nehmen sich Zeit. Zeit in der Zeit. Zeit für Gott. Zeit für sich selbst. Und Zeit für andere.“ Nach dem Todesfall hatten wir im Juli jeden Donnerstag „Treffen am Kreuz“ – wir hatten Zeit für Stille und Gebet. Kein Programm, einfach Zeit. Und mit denen die da waren eine intensive Zeit. Mich selbst hat diese Predigt sehr angesprochen und in der Zeit ganz für mich in die Situation hineingepasst.

Die aktuelle Situation und die letzten drei Jahre haben mich verändert. Sie haben mich vertieft, mich stärker an meinen eigenen Herzschlag gebracht und mich auf meine Themen gestoßen, an denen ich arbeiten will, für die ich mich einsetze. Dafür mir die Zeit zu nehmen, hat sich als Segen ausgewirkt und ich bin dankbar, dass 2016 das Telefon bei mir klingelte und ich gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, mich einzubringen, mitzugestalten.

Ein Artikel von Claudia Sokolis-Bochmann, Pastorin der EFG-Schönebeck, SCHALOM-Haus