Wo die Liebe Gottes sichtbar wird

Engagierte Menschen in Jordanien und im Libanon

Joachim Gnep, Leiter des Dienstbereichs Mission, und Frank Wegen, Mitglied im Komitee von German Baptist Aid (GBA), reisten Anfang Juni nach Jordanien und in den Libanon, um sich die von GBA unterstützten Projekte anzusehen. Ihr Fazit: „Wir waren tief berührt und beeindruckt, wie konkret die Liebe Gottes in diesen Projekten sichtbar wird.“ Von diesen berührenden und beeindruckenden Erlebnissen erzählen sie in ihrem Reisebericht.

Eine fröhliche Stimmung schlägt uns entgegen. Eine Handvoll Frauen ist damit beschäftigt, Seife herzustellen. Frauen, die der Kriegshölle in Syrien entronnen sind und in Jordanien einen neuen Anfang versucht haben. Sie berichten, was sie hinter sich haben. Eine Frau spricht davon, wie ihr siebzehnjähriger Sohn durch einen Kopfschuss getötet und ihr Mann durch Folter arbeitsunfähig wurde. Eine andere zeigt uns auf ihrem Handy Bilder ihres zerstörten und in Trümmern liegenden Hauses in Syrien, das sie zurücklassen musste. Unvorstellbares Leid haben diese Frauen hinter sich. Und schauen heute wieder nach vorn, sie können sogar lachen.

Wir befinden uns in der Seifenwerkstatt des Zarqa Life Centers, einem baptistischen Projekt in Zarqa, eine gute halbe Autostunde östlich von Amman/Jordanien. Seit vergangenem Jahr wird das Projekt von German Baptist Aid unterstützt. Es fördert Frauen gezielt und nachhaltig und hilft ihnen dabei, ein Einkommen zu generieren, um für ihre Familien sorgen zu können. Die Frauen fühlen sich im Center wertgeschätzt und angenommen und verbringen so viel Zeit wie möglich hier. Sie äußern immer wieder ihre Dankbarkeit. Es ist eine sehr dichte Atmosphäre, man kann die Liebe Gottes hier förmlich atmen.

„Für hochwertige Seife gibt es einen Markt“, erläutert uns Gertrud Khoury, die Leiterin der Einrichtung. Also habe man im vergangenen Jahr viel investiert, um Seife in Handarbeit herzustellen, die den Qualitätsansprüchen auch genügt. In der Seifenwerkstatt können wir uns davon überzeugen und die Produkte in ihren verschiedenen Entstehungsstadien begutachten, vor allem aber den Eifer und die Freude sehen, mit dem die Frauen hier an der Arbeit sind. Die Frau, die ihren Sohn verloren hat, erzählt, dass ihr jemand einen Jesusfilm geschenkt habe. Sie habe ihn sich zusammen mit ihrem Mann angeschaut und am Ende wehmütig gesagt: Wenn dieser Jesus heute leben würde, er würde uns in unserer Not sicher auch helfen. In der darauffolgenden Nacht sei ihr Jesus im Traum erschienen und habe zu ihr gesagt: Es gibt mich tatsächlich und ich helfe dir. Diese Frau hat neuen Lebensmut gewonnen und hat mittlerweile in der Seifenwerkstatt Verantwortung übernommen.

„Wir müssen nun schauen, wie wir uns mehr Abnehmer unserer Produkte erschließen“, meint Gertrud Khoury, denn monatlich wird momentan noch mehr Seife mit verschiedenen Duftrichtungen produziert als abgenommen.

Die Seifenwerkstatt ist nur ein Arbeitszweig des Zarqa Life Centers. Das Center hilft Frauen auf ganz verschiedenen Ebenen und ist nicht nur für syrische Flüchtlingsfrauen offen, sondern auch für Jordanierinnen oder Palästinenserinnen, die in prekären Verhältnissen leben. Es gibt eine Reihe von Bildungsangeboten wie Englischunterricht oder auch Arabischunterricht für Analphabeten. Es gibt psychosoziale Unterstützung und auch Andachten, an denen manche der Frauen mit Interesse teilnehmen. Dem Center angegliedert ist ein Kindergarten mit drei Erzieherinnen, die auch einen Blick für Kinder mit Einschränkungen haben, sowie eine kleine Poliklinik.

Im Libanon lebt fast jeder dritte Mensch „flüchtig“. Insgesamt sind es geschätzt 1,5 Millionen Syrer (davon die Hälfte Kinder), die hier Schutz suchen – in einem historisch bedingt eigentlich feindseligen Umfeld. Seit mehr als 10 Jahren arbeitet German Baptist Aid sehr eng mit der baptistischen Lebanese Society for Education and Social Development (LSESD) zusammen.

Der erste Projektbesuch führt uns an die syrische Grenze nach Zahle im Osten des Landes, wo wir zuletzt ein medizinisches Projekt gefördert haben. Die renovierte und deutlich erweiterte Baptistengemeinde dort ist voller quirligem Leben: jeden Tag bekommen hier 600 Kinder in zwei Schichten Schulunterricht durch überwiegend syrische Lehrkräfte, die selbst das Schicksal der Flucht teilen. Zum sehr umfangreichen diakonischen Engagement der Gemeinde gehört unter anderem auch das neu entstandene Community Center, direkt neben einem Flüchtlingslager im Bekaa-Tal. „Für diese Menschen ist es zu weit in die Stadt“, sagt Naji Daoud, der Projektverantwortliche. In liebevoll gestalteten Containern neben einem großen Spielplatz wird Englisch und Arabisch unterrichtet, in einem anderen stehen Waschmaschinen. In weiteren Containern finden sich das Medical Center, in dem täglich 25 bis 30 Menschen behandelt werden, und eine Kleiderkammer.

Eine weitere Station unserer Reise liegt im Nordosten von Tripoli: Child friendly Spaces. 250 Kinder werden hier ein- bis zweimal in der Woche unterrichtet. Auch hier lehren überwiegend Geflüchtete aus Syrien. Wir nehmen an einer Unterrichtseinheit mit einer Psychologin teil, die Werte vermittelt – heute: „Alle Menschen sind gleichwertig!“.

Ein anderer Raum für Diagnose und Therapie ist für die Arbeit von SKILD („Smart Kids with Individual Learning Differences“) reserviert. Dieses ebenfalls von GBA unterstützte Projekt bietet Kindern mit Lernschwierigkeiten landesweit Hilfe, deren Behinderungen ansonsten gesellschaftlich tabuisiert werden. Michel Sawan als Mitarbeiter der Ortsgemeinde zeigt uns schließlich die regelmäßig ausgeteilten Hygienepakete für Familien. „Wir wollen den Kindern in der Liebe Gottes begegnen, das ist das Wichtigste“, sagt er.

Diese Haltung erfüllt in besonderer Weise auch das Tahaddi Center, mitten in einem der Beiruter Elendsviertel. Konsequent und sehr professionell wird hier auf die Bedürfnisse der geschätzt 10.000 Menschen reagiert, die unter unbeschreiblichen Bedingungen leben. Es gibt ein Programm für Kleinkinder bis fünf Jahre, Schulunterricht auf hohem Niveau, Sportunterricht auf der Dachterrasse, ein Medizinisches Zentrum, Sozialarbeit vor Ort und auch „zu Hause“, psychologische Betreuung, ein Computerraum zum Erlernen von Grundkenntnissen für den Arbeitsmarkt. Im Nähzentrum stellen Frauen auf engstem Raum mit viel Geschick Schürzen, Topflappen, Taschen und andere Gegenstände für den täglichen Bedarf her. Auch die 2.400 Decken für das Winterprojekt werden hier gefertigt und stolz präsentiert. Ein doppelter Nutzen: die sehr engagierten und selbstbewussten Frauen verdienen damit Geld für den Lebensunterhalt.

Wir begleiten die Leiterin Catherine Mourtada zu Hausbesuchen durch die verwinkelten Gassen und Trampelpfade. Immer wieder klebt ein übler Gestank in der heißen Luft – wir halten den Atem an. Atemberaubend ist aber vor allem, wie sehr Catherine hier geachtet und bei den in erbärmlichen Zuständen lebenden Menschen wirklich „zu Hause“ ist. Sie weiß um die Geschichten der Menschen hier zwischen Wellblech und Müll. In den Gesprächen notiert sie, was vom Nötigen am nötigsten ist. Zurück in ihrem Büro platzt ein kleines Kind mit verletztem Fuß mitten in ein wichtiges Gespräch. Sofort wendet sich Catherine dem Kind zu und verarztet es. Diese Erfahrung steht sinnbildlich für das, was wir in Tahaddi und auch den anderen Projekten erlebt haben: die Menschen stehen immer im Mittelpunkt! Wo immer die Kraft der Liebe Gottes sonst erfahrbar ist: während der Reise gab es viele Momente, wo sie uns in der Begegnung mit so unterschiedlichen Menschen förmlich anstrahlte.

Ein Artikel von Frank Wegen und Joachim Gnep