Investition in die Zukunft von Menschen

International vernetzt: Die Kooperation mit Haiti

Teil der internationalen Vernetzung des BEFG ist die Kooperation mit dem nordhaitianischen Baptistenbund (CBH). Seit dem schweren Erdbeben 2010 leistet der BEFG in dem Karibikstaat Aufbauhilfe. Mitte August reiste Stefanie Fischer, die für die Katastrophenhilfe des Bundes arbeitet, für fünf Wochen nach Haiti. In ihrer Reportage beschreibt sie Projekte, die langfristig helfen und Menschen, die ihr Schicksal couragiert in die Hand nehmen.

„In Haiti braucht es immer einen Plan B“ sagt CBH-Generalsekretär Emmanuel Pierre. Wir sind unterwegs, um verschiedene Projekte der deutsch-haitianischen Kooperation im ganzen Land zu besuchen. Auf dieser Reise erlebe ich einen Inselstaat von atemberaubender Schönheit, der gleichzeitig so viele Probleme hat, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Trotzdem funktioniert das Leben, und das beeindruckt mich. Bei den praktischen Herausforderungen des Alltags hilft es allerdings, immer einen Alternativplan zu haben. Das werde ich während meines Aufenthalts nicht nur einmal hautnah erleben.

Aber gerade weil die Schwierigkeiten des Landes unzählbar sind, ist es wichtig, sie anzupacken. Der BEFG hat nach dem verheerenden Erdbeben vom 12. Januar 2010 mit seinem Engagement in Haiti begonnen. Dank der großzügigen Spenden der deutschen Baptisten konnte eine Partnerschaft mit den Geschwistern vor Ort aufgebaut werden. Die Schwerpunkte der Unterstützung liegen in der Bildung und Gesundheitsförderung. Das Ziel ist, Haiti langfristig und nachhaltig zu helfen. Auf meiner Reise erlebe ich hierfür viele Beispiele.

So treffe ich bei einem meiner Besuche Wilson, den Besitzer einer kleinen Bananenplantage. Er hat an einem Kurs für ökologische Landwirtschaft an der Fakultät für Agrarwesen der Christlichen Universität von Nord-Haiti (UCNH), deren Träger der Baptistenbund ist, teilgenommen. Seitdem er gelernt hat, wie man Kompost anlegt und auf diese Weise natürlich düngt, kann er dreimal so viel ernten wie zuvor und damit seine Familie besser versorgen. „Früher ging es auch, aber mit Ausbildung geht es besser“, sagt er. Dank der Gelder aus Deutschland kann der Kurs für die Kleinbauern kostenlos angeboten werden. Auf diese Weise wird die regionale Landwirtschaft gestärkt und die Abhängigkeit von Lebensmitteln aus dem Ausland verringert.

Mit Kihomi Nzunga, der Leiterin der Association des Femmes, der Frauenarbeit im Baptistenbund, besuche ich verschiedene Frauengruppen im Land. Überall werde ich herzlich empfangen. Die Courage und das Engagement der Frauen, die alles tun, um ihr Leben und das ihrer Familien zu verändern, berühren mich tief. Ein Team aus ehrenamtlich tätigen Frauen um die Leiterin schult in den einzelnen Gemeinden Frauen als Gesundheitsbeauftragte, die über Hygiene im Allgemeinen und die Ausbreitung von Cholera im Speziellen aufklären. Aber auch die verschiedenen Formen  häuslicher Gewalt gegen Frauen werden beispielsweise thematisiert, damit die Frauen durch die Seminare gestärkt werden. All dies geschieht mit einfachsten Mitteln und unter äußerst spartanischen Bedingungen. Aus diesen Aufklärungskampagnen sind schon gemeindliche Initiativen entstanden, die in der Gemeinde und im Dorf Latrinen errichtet haben, um die hygienischen Bedingungen zu verbessern. Um die Frauen zu fördern, hat die Association auch ein Programm von Mikrokrediten aufgelegt. Dadurch können Frauen ein kleines Unternehmen gründen, um das Einkommen ihrer Familie zu verbessern und so zum Beispiel ihren Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen. „Es ist schön zu sehen“, sagt Kihomi, „wie die Frauen ihr Schicksal in die Hand nehmen und nicht mit verschränkten Armen dasitzen und auf Hilfe von anderen warten.“ Vor allem in Port-au-Prince, wo auch mehr als dreieinhalb Jahre nach dem Erdbeben noch große Not herrscht und der Wiederaufbau nur langsam vorangeht, ist die Unterstützung ausgesprochen wichtig. Auch diese Arbeit wird zu einem Teil mit den Spenden aus Deutschland finanziert.

College COBAHA Gonaives Haiti

Frauengruppe Eglise Limbe

Straßenszene bei Lascahobas

Wo ich auch hinkomme, herrscht eine große Dankbarkeit für die Unterstützung aus Deutschland. „Von Herzen sagen wir Dankeschön an den deutschen Baptistenbund und die Geschwister in Deutschland. Wir beten für euch.“ Diesen Satz höre ich nicht nur einmal. Die Liste der Projekte ist lang. So können 13 Schüler eine Berufsausbildung als Elektriker, Automechaniker oder Schneiderin erhalten. Auch einen Hochschulabschluss können junge Menschen durch die Spenden anstreben. So sind wegen der großen Zerstörungen nach dem Erdbeben viele Studierende aus Port-au-Prince an die UCNH gewechselt, um dort weiterzustudieren. Ohne finanzielle Hilfe wäre das für viele der Studierenden nicht möglich.

Einen weiteren Schwerpunkt der Kooperation bildet die Weiterbildung der Lehrenden der Universität. Zu diesem Zweck arbeiten die UCNH und das Theologische Seminar in Elstal (ThS) zusammen. So sind die Haitianer Ema Prince und Daniel Louis seit 2011 in Deutschland und studieren am ThS im Masterstudiengang Freikirchliche Diakonie. Nach ihrer Rückkehr im Herbst 2014 werden sie mit ihren Kenntnissen die Ausbildung der haitianischen Pastorinnen und Pastoren um das diakonische Engagement der Gemeinden, auch über die eigenen Gemeindegrenzen hinweg, erweitern. Beide begleiten mich auf dieser Reise, wir erkunden ihre Heimat, unterrichten gemeinsam, und in vielen Gesprächen helfen sie mir, dieses Land und die Menschen hier ein wenig besser zu verstehen.Die erste Phase der Kooperation ist Ende 2014 abgeschlossen. Bevor die nächste Phase beginnt und über neue Förderungen oder die Weiterführung bestehender Projekte beschlossen wird, werden alle Projekte und die gesamte Zusammenarbeit bei einer Evaluation besprochen. Dazu wird eine dreiköpfige haitianische Delegation vom 20. bis 27. Januar 2014 nach Deutschland reisen und das Komitee des BEFG treffen. Als ein weiterer Teil der Auswertung findet am 24. und 25. Januar in Elstal ein öffentliches Symposium statt, bei dem mit den Haitianern sowie mit Experten der Entwicklungshilfe diskutiert wird, wie gute und nachhaltige Entwicklungshilfe in Haiti gelingen kann. Dazu sind Interessierte herzlich eingeladen.So bin ich dankbar für all die Erlebnisse und Begegnungen auf meiner Reise und kehre voller Eindrücke zurück. Ich freue ich mich auf die kommende Auswertung und die Weiterführung dieser Kooperation, denn ich sehe darin Investitionen in das Leben von Menschen, die für die Zukunft ihres Landes eine Chance für Veränderung bedeuten. Noch sind es viele kleine Dinge, die aber für einzelne Personen, ganze Familien und Gemeinden eine große Bedeutung haben.

Stefanie Fischer
21.10.2013